Final Day!

Es ist schon ziemlich lange her, als ich beschloss, dass ich es jetzt auch mal Hawaii Legende werden wollte. Als ich mir ein Zeitfahrrad kaufte, die Trainingsplanung einem Trainer übergab und dem Triathlon einen ernsthaften Stellenwert in meinem Leben einräumte. 2008 ist das gewesen. 2008 Ironman Frankfurt. Eine für meine Verhältnisse ordentliche Schwimmzeit von 1:16, 5:20 auf dem Rad. Locker und gut gelaunt in die Laufschuhe, doch dann nach 10km der Einbruch. Was im Training tausendmal funktioniert hatte, klappte nicht mehr. Aus vorbei. Tausend Tode über unendliche 32 weitere Kilometer. Finish in 11:04. Weit weg von dem, was ich mir erträumt hatte. Aber der Ansatz war gut, also weiter.


2009 Nizza. Da war es dann Arbeitsüberlastung die mich beim Radfahren einschlafen ließ. Mit größter Mühe rettete ich mich heulend ins Ziel. In welcher Zeit habe ich verdrängt. Im Herbst wollte ich mich in Immenstadt revanchieren für die Schmach von Nizza. Eine Woche vor Immenstadt: Radsturz, Schambeinbruch, drei Monate Pause. Als danach wieder ganz sanft zu Laufen anfing meldete sich gleich die Plantearfasziesehne an. Nix mit Lauftraining. Anstatt dessen hielten Masseure und Physiotherapeuten kamen Einzug in mein Leben. Und richteten sich dort dauerhaft mit der schmerzenden Ferse ein. Ich versuchte aus der Not eine Tugend zu machen und arbeitete mich unzählige Kilometer an meiner Schwimmschwäche ab. Inzwischen stand der Ironman Regensburg vor der Tür, doch an Laufen nicht zu denken. Nur aus Geiz - denn es gab keine Startgeldrückerstattung bei Invalidität - stellte ich mich mit 150 km Lauftraining in den Beinen an den Start um wenigstens Rucksack und Finisher-T-Shirt einzuheimsen. Der Wettkampf war tatsächlich wunderschön und irgendwie schaffte ich es eine Zeit um die 11:45 ins Ziel zu bringen. Doch Spaß sieht mit Sicherheit anders aus. Einziger Lichtblick: ich konnte Laufen! Null Schmerzen, so als sei nie etwas gewesen. Doch alle anderen untrainierten Körperteile schmerzten höllisch und im Ziel beschloss ich: Nie wieder Ironman.

Zwei Wochen später unterzeichnete ich die Anmeldung für den Ironman Cozumel im November. Ironman am weißen Sandstrand. Wer mag darauf verzichten. Die ersten Trainingswochen liefen fantastisch. Dann nach vier Wochen das erste abgebrochene Lauftraining. Nun war es das Knie. Finale: Reiserücktrittsversicherung.

Das Jahr 2011 kam mit Schwung. Trainerwechsel, alles neu macht der Mai. Neue Trainingsstrategien und Newton Laufschuh, der mit den vier Rillen am Fuß für das Laufwunder. Die wunderbare Physiotherapeutin Ulrike Kahl die sich von Werder Bremen in die andere Hansestadt verirrt hatte fand dann endlich heraus, das Ferse und Knie letztlich auf meinen Sturz 2009 zurückzuführen waren. Und ich bekam für ein Jahr einen Hüftgurt verschrieben. Und mit dem Sex Appeal des Hüftgurts gingen die Schmerzen. Im Frühjahr gewannen der Hüftgurt und ich Gold bei der Duathlon DM. Dies würde mein Jahr werden. Doch es kam anders. Vier Wochen vor dem Ironman Regensburg eine Kapselreizung im Mittelfuss. Doch zu viel Newton. Ich setzte das Lauftraining aus und hoffte. Bis Kilometer 20 des Marathons in Regensburg. DNF. Auch das muß man mal erlebt haben. Danach schwor ich, dieser Ironman-Schwachsinn hat ein Ende.

Im Herbst legte ich den Hüftgurt ab und entschied mich für das kommende neue Jahr für eine Kombination aus neuem Trainer und Ironman Switzerland. Mit Hilfe von stundenlangen Läufen mit maximal einem 7er Schnitt und dabei doch einer Trittfrequenz wie ein Duracell-Häschen tastete ich mich langsam wieder an das Laufen heran. Ich ignorierte die Spaziergänger die mich überholten und die Kinder die mich auslachten. Egal. Ich wusste in welche Richtung ich hoppelte. Und tatsächlich funktionierte es, der Schmerz blieb weg. Das Training lief tadelos und die ersten Wettkämpfe auch. Training war wieder normal und Laufen nach den vielen Jahren endlich wieder eine Selbstverständlichkeit geworden. Die langsamen Einheiten (ich meine wirklich laaaaaangsam) blieben Bestandteil meines Trainingsalltags und aus Gründen die ich bis heute nicht verstehe, wirkten sie Wunder. Denn ich wurde schneller und schneller. Bis zum Ironman Zürich. Wenn wunderte es. Von 100 auf 0 rechtzeitig zum Wettkampf. Schon Tage davor konnte ich schlecht Essen und kaum Schlafen. Am Wettkampfmorgen ging gar nichts mehr. Mit einem halben Brötchen im Magen quälte ich mich lustlos zum Start. Die 180km Rad waren der blanke Horror. Die Beine schmerzten vom ersten Tritt an, als würde es ihr letzter sein. Auf den Marathon habe ich dann dankend verzichtet. Aber ich war nicht bereit aufzugeben und meldete mich ganz einfach in Köln an. Hawaii hin, Hawaii her, ich wollte endlich endlich mal alles raushauen was in mir steckt. Mir reichte es jetzt wirklich. In Köln war dann unser halber Verein am Start und das gestaltete es doch vergnüglich. Die Elite-Staffel mit Jule, Jane und Cindy hatte angedroht mir das Leben schwer zu machen und ich wußte, Ausreden zählten nicht.

Und dann kam er - der perfekte Tag. Ich erwischte ein wirklich schnelles Schwimmen und das Radfahren war ein wahres Vergnügen. Ich fuhr los mit einem 36er Schnitt und kam an mit einem 36er Schnitt. Wie ein Uhrwerk zog ich meine Kreise, ruhig und kontrolliert und mit einem sicheren Gefühl, dass mir nichts passieren würde. Und pfiff zufrieden vor mich hin. Schon nach knapp vierzig Kilometer überholte ich Jane mit ihrem schicken Schwedenshirt und wusste, jetzt war über mir nur noch der Himmel. Bei Kilometer 150 überholte ich eine Frau, die aussah wie ein Profi. Braungebrannte austrainierte Waden. Erst als ich dann auf die Laufstrecke ging merkte ich, dass ich da tatsächlich die bislang zweite (…und spätere Siegerin) Nicole Woysch überholt hatte. Nun wurde mir etwas mulmig und ich bremste mein Tempo stark ab, denn ich wollte nie wieder gehen bei einem Marathon. Leider war etwas mit meinem Laufsensor nicht in Ordnung, er zeigt immer 15 Sek pro Kilometer zu schnell an. So lief ich, wie ich erst im Ziel begriff, tatsächlich deutlich zu langsam los… Nicole Woysch überholte mich schon bei km vier. Aber das war mir egal. Ich wußte, heute wird mein Tag, völlig gleich welche Platzierung es war. Schon ein Marathon von unter 3:50 würde für ein Finish unter 10 Stunden reichen. Und dass ich das schaffen würde war ich ziemlich sicher. Die ersten 25 Kilometer waren so schön wie Riesenrad fahren. Die erste Frau stieg aus und ab km  10 hatte ich wieder das Führungsfahrrad „zweite Frau“ vor mir. Ich lächelte den Leuten zu und winkte und fühlte mich bereit die Welt zu erobern. Ja auch das kann Ironman sein. Nur die letzten zwölf Kilometer waren dann doch ein echter Kampf. Aber ich ließ nicht locker und hielt das Tempo. Feuerte mich an, nur noch 12, nur noch 11, jetzt 10, jetzt 9. Irgendwo hier kam mir wie ein Feuersturm Judith entgegen. Ok bleib dran, weiter. Als ich Cindy vier Kilometer vor dem Ziel überholte war ich noch nicht mal mehr in der Lage sie zu grüssen. Die letzten zwei Kilometer hatte ich Angst, einfach gleich zu sterben. Vom Fleck weg in den Himmel geholt. Aber nix da. Ich lief ins Ziel. Vor dem Ziel die gesamte Tri Michels Baggage die einen Höllenlärm machten. Was ein wunderbarer Tag. Ich habe es endlich geschafft. 10:04:40, zweite Frau. Eine Zeit für mich wie aus dem Bilderbuch. Und da ist sogar noch Luft drin.

Es war ein so wunderschöner Tag und ich danke alle Tri Michels und auch den Open Sports Leuten für diese unglaubliche Anfeuerung und die Erdung vor dem Wettkampf. Aber auch meinem wunderbaren Trainer Sebastian Rosenkranz und Robert Karrasch von Pirate Bikes für die Unterstützung. Und last but not least dem Tri Michels Ladies Team, deren Tina Strehl Gedächnisblick bei der Siegerehrung in Norderstedt mir telepatisch den letzten Punch gegeben hat. Und wen es interessieren sollte: im Oktober 2013 trefft ihr mich auf Hawaii.