Mein erstes Jahr als Triathlon-Mama – vom Anderssein und Anderswerden


Es bleibt immer alles irgendwie anders. Angefangen hat es damit, dass ich im Spiegel anders aussah – nicht älter, nicht jünger – einfach anders. Ich fühlte mich nicht mehr so fit und hatte nicht mal zum Ski laufen richtige Lust, obwohl es der einzige Sport ist, in dem ich endlich mal schneller als Ingo bin. Auch ungewöhnlich und auf jeden Fall anders. Selbst vor dem Start zum König-Ludwig-Lauf war ich nicht so ein Nervenbündel wie sonst vor einem Rennen – auch anders. Hätte ich da allerdings schon gewusst, dass der kleine Hanno alias „Knirpsi“ als kleiner Zellhaufen in meinem Körper zu wachsen beginnt, hätte ich gewusst, woran es lag.


Schwangeren sagt man ein sportliches Leistungshoch nach. Ich weiß nicht, wen sie gefragt haben. Mich jedenfalls nicht. Anfangs war ich müde ohne Ende und hätte 30 Stunden am Tag schlafen können. Dann war es mit der Müdigkeit vorbei, aber der Bauch war so dick, dass man zunächst nicht mehr Laufen mag, irgendwann mag man weder auf´s Rennrad noch auf´s MTB steigen und bleibt beim Stadtrad hängen. Selbst beim Schwimmen hat man Einschränkungen. Denn keine Schwangere ist stromlinienförmig. Trotzdem steht die Hebamme in der Geburtsvorbereitung einem Herzinfarkt nahe, wenn sie sieht, wie man das Bein in gewohnter
Manier über den Sattel schwingt oder fragt, was man mit einer Poolnudel beim Schwimmen soll... Aber als Sportlerin ist man halt anders.

Im Oktober 2011 wurde der Bauch dann endlich dünner. Bis dahin war es ein langer Weg. Und bis man sich von so einer Geburt erholt hat dauert es nicht etwa Wochen wie nach einer Langdistanz, nein Monate!!! Denn jetzt wächst zwar nichts mehr, aber es hat Hunger – und das ziemlich häufig. An laufen ist erst mal nicht zu denken, an radeln schon gar nicht und schwimmen? Na gut, dass geht relativ fix wieder. Aber nur, wenn das kleine Baby gerade getrunken hat, sonst platzt der Badeanzug aufgrund der Oberweite und alle Mitschwimmenden in der großen Badewanne baden wie Cleopatra – in Milch. Diese kleinen Dropse saugen einen aus. Tag und Nacht. Manchmal alle zwei Stunden, manchmal nur einmal in der Nacht. Das Leben wird anders. Unruhiger aber
interessanter. Da soll es ein Leistungshoch geben? Ein Hoch auf die Märchenerzähler.

Irgendwann mag man sich auch wieder auf´s Rad setzen. Und ja, das Laufen geht dann auch wieder. Natürlich mit einem Baby-Jogger. Aber mein ursprünglicher Gedanke mit dem Kleinen meine Runden zu drehen gestaltet sich schwieriger. Was wenn sich plötzlich mitten in der Walachei der Hunger meldet, oder man verschwitzt zu Hause ankommt und noch nicht geduscht hat? Regeneration und duschen sind Fehlanzeige. Wenn das Baby Hunger hat, hat es Hunger und dann macht es sich lautstark bemerkbar. Auch in diesem Fall wurde ich mit Sicherheit wieder nicht gefragt, wenn es um eine Leistungssteigerung geht. Ich lernte noch mehr als vorher mir ja nicht zu viel vorzunehmen. Es würde eh nicht klappen. Wirkliches Training war also Fehlanzeige. Man sollte es eher unter der Rubrik „regelmäßige Bewegung“ laufen lassen.

Mein beruflicher und sportlicher Ehrgeiz blieb ungebremst. Ich war fest davon überzeugt, dass es mit dem Sport weiterginge wie bisher. Ich meldete mich für den ersten Wettkampf an – kein Start, mangels Fitness.

Fest entschlossen, danach regelmäßig zu trainieren (es war jetzt schon Juli!) und immer noch auf das Leistungshoch wartend, meldete ich mich für den nächsten Wettkampf an. Das erste Mal in meinem Leben traf ich eine Vernunftsentscheidung und melde ich mich beim O-See Challenge in Zittau auf die Light-Strecke um. Ich kam also nicht dazu, tolle Trails zu fahren, sondern blieb auf der Waldautobahn. Was sich im Ziel hinsichtlich meiner Fitness als genau richtig bestätigte.

Mittlerweile hat der kleine Hanno das Krabbeln gelernt und bedarf nun besonderer Aufmerksamkeit und außerdem hat er keine Lust, ständig im Fahrradanhänger oder Jogger zu sitzen. Wir hatten das definitiv anders bestellt. Aber zurückgeben können und wollen wir ihn nicht. Ich meldete mich für den nächsten Wettkampf an. Und nahm am MTB-Treff von Aron teil. Startete beim XTERRA Hamburg. Dieses Mal machte ich etwas anders als sonst: Ich schaute einen Tag vorher auf die Starterliste und dachte mir „mit Chance wirst Du noch dritte Hamburgerin und mit ganz viel Chance kommst Du gesamt unter die ersten 10 Frauen. So ein Ziel hatte ich mir bei dem Wettkampf noch nie gesetzt. Ich wollte immer unter die ersten drei gesamt.

Und schon war sie wieder da. Diese unendliche Aufregung. Wie immer – leider nicht anders. Und auch im Rennen war ich nicht in der Lage irgendetwas anders als sonst zu machen. Beim ersten Lauf konnte ich mich noch zügeln, aber auf dem Rad gab ich Vollgas. Meine Lunge brannte und ich hatte das Gefühl über Kreuz zu gucken. Dementsprechend war der zweite Lauf alles andere als ein Lauf – zumindest, was die bergauf Passagen anging.

Aber dann im Ziel – da war es wirklich anders. Ich hatte zwischendurch das Gefühl relativ weit vorne zu liegen. Aber direkt nach dem Zieleinlauf war mir meine Platzierung so egal wie nur irgendetwas. Ich freute mich auf die lächelnden Kinderaugen zu Hause und nicht auf eine weitere Trophäe, die irgendwo im Keller unter vielen verschwindet. Es ist halt irgendwie anders als Mama.

Später stellte sich heraus, dass ich vierte gesamt und dritte bei den Hamburger Meisterschaften wurde. Ein Freund fragte uns, ob wir das Gefühl hätten, die Zeit verginge langsamer. Das muss ich definitiv mit „Nein“ beantworten. Die Zeit verläuft schneller aber intensiver und man nimmt sie gar nicht mehr wahr als etwas auf das man ständig achten muss. Vielleicht ist das das „Andere“. (SH)