Vor Zehn kommt Neun

Mit dem Alter kommen auch die Jubiläen und so fehlt mir nur noch ein Harz-Trainingslager, um mein zehnjähriges Harz-Jubiläum feiern zu können. Aber mit dem Alter kommt es auch zu Interessenverschiebungen und so hatte ich Zeit und Muße, mich u.a. mit Björn über das Vaterwerden und Vatersein und touristische Highlights aus dem letzten Jahr auf dem Rad unterhalten zu können, was in den Jahren zuvor mit Björn meist am unterschiedlichen Tempo scheiterte. Und natürlich an den unterschiedlichen Interessen, weil der eine sich gedanklich mehr mit Mitochondrienbildung, Laktattoleranz und Trittfrequenz am Berg beschäftigte, der andere damit, ob er nächstes Wochenende mit seinem Nachwuchs auf den Spielplatz geht, oder doch lieber die HVV-Fähre zum unschlagbar günstigen HVV-Ticketpreis nimmt, um dem Kleinen große Schiffe fernab der Touristenrouten zeigen zu können.




Natürlich lässt man auch während der Ausfahrten die vergangenen Jahre Revue passieren und denkt, wie man vor zwei Jahren bei strömenden Regen den ein oder anderen Berg runterfahren konnte, wo man doch nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für andere, sprich dem Nachwuchs, trug und immer noch trägt.

Und dann kommt der Punkt, wo man denkt, dass man dies wohl die Melancholie des Alter(n) s nennt, wenn man über die vergangenen Jahre im Harz nachdenkt, während man versucht, mit den anderen Schritt zu halten. Oder muss es in dem Fall Tritt heißen? Während man das denkt, sieht man die ein oder anderen Spaziergänger und Bustouristen im Harz und spätestens da kommt der Punkt, wo Hoffnung aufkommt, dass man doch noch nicht so alt ist, denn
immerhin bewegt man sich im Harz aus eigener Kraft nach vorne und lässt sich nicht von Windbeutel-Restaurant zu Aussichtsplattformen kutschieren, um das Panorama im Harz
passiv statt aktiv zu genießen.

Während andere nach vier Tagen Harz ihre eigenen Rekorde brachen, indem sie die Tageskilometer aufaddierten (Jane knackte mühelos die 411km-Marke) begnügt man sich
damit, dass man eben nicht jedes Jahr einfach ein paar Kilometer draufpacken kann, sondern versucht, Qualität in die weniger gewordenen Kilometer zu bringen, indem man einfach die Berge hochfährt und versucht, den Druck in den Beinen bewusst zu spüren und das Torfhaus statt einmal einfach dreimal hintereinander raufdrückt. Masse, sprich Kilometer, ist eben doch nicht gleich Klasse, sprich Bergintervalle.

Alles in allem lässt sich aber feststellen, während des Bergauffahrens erging es mir auch vor neun Jahren nicht besser, da der Mensch ja dazu neigt, gewisse Negativerlebnisse einfach schnell zu vergessen. Nur dauert es inzwischen einfach länger.

Die große Genugtuung kam dann übrigens am Sonntag in Gestalt von Björn, der im T-Shirt, scheinbar eine Devotionalie aus dem letzten Urlaub, Jeans und Ausflugsmütze über den Marktplatz schlenderte und zugab, er könne nicht mehr und wir mögen doch bitte ohne ihn losfahren, er müsse sich erholen. Und der ist ja noch nicht mal Vater, sondern will es erst noch werden! So zeichnet sich jetzt schon ab, dass ich nächstes Jahr wieder am Start sein werde und offen für weiterführende Gespräche während der Ausfahrt bin, welche Windel die bessere Saugkraft und welcher Gemüse-Fruchtbrei besser verträglich ist.